Während der russische Angriffskrieg, die Revolution im Iran und nicht zuletzt auch die Fußball-WM der Männer in Katar – um nur drei Beispiele zu nennen – in den vergangenen 12 Monaten den wohl größten Teil der medialen Aufmerksamkeit auf sich zogen, rückte ein Thema in den Hintergrund: Die Klimakrise. Das änderte sich, als Aktivisti der „Letzten Generation“ mit Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie z.B. das Festkleben an Straßen oder das Blockieren von Rollfeldern, auf sich und die Klimakrise aufmerksam machten und in Nordrhein- Westfalen die Räumung des Dorfes Lützerath begann.
Die „Letzte Generation“ formuliert zwei Forderungen: ein bundesweites Tempolimit von 100km/h und die dauerhafte Einführung des 9€-Tickets – beides mit dem Ziel, CO₂ einzusparen und so dem Klimawandel entgegenzuwirken.
Was die „Letzte Generation“ fordert, ist keine Utopie oder etwas, was aktuell völlig unrealistisch wäre. Das Tempolimit funktioniert in anderen Staaten, das 9€-Ticket ließe sich z.B. durch das Abschaffen der Pendlerpauschale und des Dieselprivilegs, eine Vermögenssteuer oder einen sofortigen Investitionsstopp in Autobahnen und klimaschädlichen Individualverkehr leicht finanzieren und weiterführen. Ziel der Proteste der „Letzten Generation“ ist es, Aufmerksamkeit für die Krise und infolgedessen die politische Umsetzung zweier Maßnahmen, welche in der Umsetzung realistisch und im Kampf gegen die Krise wirksam wären, zu schaffen.
Was die „Letzte Generation“ nicht fordert, ist ein Systemumsturz. Dass aus zivilem Ungehorsam Strafen folgen können, nehmen die Aktivisti in Kauf, es gab bisher weder Widersprüche noch Gewalt. Friedlicher und gewaltfreier ziviler Ungehorsam ist politische Partizipation. Aktivisti versuchen für mehr Gerechtigkeit zu sorgen, indem sie bewusst gegen rechtliche Normen verstoßen und die Folgen dessen akzeptieren. Sie erwarten keine Stellung außerhalb des geltenden Rechtssystems, sondern fügen sich dem Geltenden – um für die Grundlage unser aller Überleben zu kämpfen. Das ist kein Terrorismus.
Auch friedlicher und gewaltfreier ziviler Ungehorsam soll nicht immer schön und angenehm sein, sondern ganz bewusst irritieren oder auch nerven und unserer Gesellschaft den Spiegel vorhalten. Ohne diese Form des Widerstands wären viele historische Fortschritte, wie zum Beispiel die Einführung des Frauenwahlrechts, nicht möglich gewesen.
Wir fordern:
- Eine stärkere Abgrenzung Abgrenzung zwischen zivilem Ungehorsam und Terrorismus in der öffentlichen Debatte und in jeglicher politischer Arbeit.
- Das Beenden des Einsetzens von Präventivhaft als Konsequenz für zivilen Ungehorsam
- Keine weiteren Strafverschärfungen für spezifische Protestformen
- Eine Sensibilisierung der Polizei und Justiz für die Unterschiede zwischen zivilen Ungehorsam und Terrorismus, um sicherzustellen, dass friedliche Proteste nicht unverhältnismäßig unterdrückt werden.
- Die Unterstützung von Initiativen und Projekten, die sich für den friedlichen zivilen Ungehorsam einsetzen und diesen in der Gesellschaft stärker verankern.
Das Bundesverfassungsgericht hat 2021 festgestellt, dass Deutschland verpflichtet ist, Lebensgrundlagen für künftige Generationen zu schützen. Im Pariser Klimaabkommen haben sich 2015 knapp 200 Staaten verpflichtet, den globalen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu limitieren. Klimaschutz ist Menschenrecht. Um Menschenrechte zu schützen, und unser aller Zukunft zu sichern darf ziviler Ungehorsam unter keinen Umständen mit Terror gleichgesetzt werden.