Uns steht ein hochschulpolitisches Desaster bevor!
Wer sich in diesem Jahr dazu entschieden hat, ein Studium an der Landesuniversität, der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel aufzunehmen, ist Teil eines Rekords geworden. Erstmals studieren jetzt mehr als 25.000 Menschen an der CAU, die bis heute für 14.000 Studierende ausgelegt ist. Die Tendenz ist steigend und die Entwicklung war so absehbar, wie sie begrüßenswert ist. Es ist ein großes Lob an das nördlichste Bundesland, dass sich so viele junge Menschen dazu entschieden haben, hier zu studieren. Die Haushalts- und Hochschulpolitik der letzten Jahrzehnte führt jedoch dazu, dass viele Studierende diese Entscheidung zunehmend bereuen.
Wie insbesondere die Kampagne #UniohneGeld des Allgemeinen Studierendenausschusses (AStA) der CAU an sehr persönlichen Erfahrungsberichten von Mitarbeiter*innen und Studierenden zeigt, nimmt die Qualität der Lehre stark ab. Wenn Professor*innen Vorlesungen aus Sicherheitsgründen abbrechen müssen und sie anschließend freiwillig doppelt halten, ist eine Grenze des zumutbaren überschritten.
Auch Sprachkurse mit mehr als hundert Teilnehmer*innen sind eine reine Massenabfertigung, zu Wort kommt dort niemand.
In Seminaren mit mehr als 50 Teilnehmer*innen können keine gewinnbringenden Diskussionen zwischen Dozierenden und Studierenden stattfinden. Wenn Einweg-Labormaterialien aus Kostengründen mehrfach verwendet werden müssen, leiden die Erkenntnisgewinne und wenn nötige Fachinhalte nicht mehr angeboten werden, leiden Schleswig-Holsteins Studierende Benachteiligungen im Masterzugang andernorts.
Dies sind nur wenige Beispiele von Vielen. Und dies sind Missstände, die nicht erst seit 2012 entstanden und in alleiniger Verantwortung der Küstenkoalition lägen. Wir sehen uns in den Universitäten mit den Konsequenzen Jahrzehnten langer Unterfinanzierung der Hochschulen auseinandergesetzt. Es ist richtig, dass die Hochschulpolitik unter Schwarz-Gelb desaströs war. Minister sprachen aus Prinzip nicht mit Studierenden und Mittel wurden ohne Rücksicht gekürzt.
Dass es unter Schwarz-Gelb schlimmer wäre, hilft den Universitäten und ihren Lehrenden, sowie den heutigen und den zukünftigen Studierenden, nicht weiter. Diese Argumentation ist nur durch eine von Wahlkämpfen verfärbte Brille nachvollziehbar. Wir brauchen tatsächliche Veränderungen in der Hochschulfinanzierung!
Der Versuch, den Status Quo zu erhalten, ist keine Option, wenn die Universitäten im Wintersemester 2016/2017 zu bersten drohen. Eine Gegenfinanzierung zum rund 9 Millionen Euro betragenden strukturellen Defizit der CAU lässt sich nicht absehen. Schließungen und die Forderungen nach Studiengebühren sind nur noch eine Frage der Zeit und würden zu einer Aufkündigung des Konsenses an den Hochschulen führen. Die 165 Millionen Euro, die an der CAU in den kommenden 10 Jahren zur Sanierung dienen sollen, decken nicht einmal die Hälfte der benötigten Mittel. Zudem weisen aktuelle Schätzungen bereits darauf hin, dass die geplanten Sanierungen deutlich teurer werden, als erwartet.
An der so oft beschworenen „exzellenten“ Landesuniversität wird in Gebäudekomplexen gelehrt, die bei zu starkem Sturm regelmäßig evakuiert werden müssen, die alle sechs Monate auf ihre Statik untersucht werden, da laut GMSH jederzeit „Gefahr im Verzug“ drohe. Die Universitäten sind so knapp am Limit, dass es keinen Spielraum mehr gibt. Es fehlt nur noch der buchstäbliche Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Etwa wenn die zahlreichen befristeten Verträge im Lehrbereich auslaufen.
Niemand von uns kann und will eine noch strapaziösere Situation in den kommenden Semestern akzeptieren, geschweige denn rechtfertigen. Daher müssen heute die Fundamente gegossen werden, um die Hochschulen des Landes überhaupt zukunftsfähig zu machen. Sonst wird uns die Quittung spätestens mit dem Auslaufen diverser Projekte und den doppelten Abiturjahrgängen zum Wintersemester 2016/2017 erreichen.
Wir sind im Wahlkampf und am Anfang der Legislaturperiode als hochschulpolitischer Tiger gesprungen und drohen jetzt als Bettvorleger zu landen. Für uns sieht grüne Bildungspolitik anders aus. Zwar sind die Haushaltsverhandlungen weitestgehend abgeschlossen, doch ist ein Haushalt erst beschlossen, wenn die Stimmen der Abgeordneten in der Dezembersitzung des Landtages abgegeben wurden. Als Landesvorstand sind wir auch Studierende und erleben die Defizite an den Hochschulen direkt und unmittelbar. Wir engagieren uns so gut wir können in Ausschüssen der Universität, im AStA, dem Senat und dem Studierendenparlament. Wir schreiben euch diesen Brief auch als Betroffene und mit Blick auf die Hochschulpolitik der kommenden Jahrzehnte. Unsere Prognose sieht finster aus: Wir drohen sehenden Auges in ein hochschulpolitisches Desaster zu rutschen, welches direkte Auswirkungen auf das Land Schleswig-Holstein haben wird. Dies gilt es zu verhindern.
Lieben Gruß,
Malte, Johannes, Lydia, Yella, Kaja und Lasse
(Dieser Brief ging an:
Eka von Kalben
Rasmus Andresen
Ruth Kastner
Peter Stoltenberg
Steffen Regis
Kirk Fünderich)OffenerBriefHochschulfinanzierung