Präventivhaft in Schleswig-Holstein verfassungswidrig – politische Instrumentalisierung ist politisches Armutszeugnis

Zur Debatte um Präventivhaft in Schleswig-Holstein für Aktivist*innen der Letzten Generation äußert sich Finn Pridat, Landessprecher der GRÜNEN JUGEND Schleswig-Holstein:

Es ist eine ziemlich bedenkliche Entwicklung, wenn Präventivhaft wie aktuell reflexartig als normales Mittel gegen die Proteste der Letzten Generation ins Feld geführt wird. Bei präventivem Freiheitsentzug sowie Einschränkungen des Versammlungsrechts handelt es sich um Einschnitte in extrem sensible Bürger*innenrechte. Gegen Blockaden und zivilen Ungehorsam massivste Grundrechtseinschränkungen zu fordern, ist nicht nur unverhältnismäßig, sondern ein fatales Zeichen für eine demokratische Zivilgesellschaft.

Die politische Instrumentalisierung der Präventivhaft durch CDU und SPD in Schleswig-Holstein muss jetzt ein Ende finden. Eine vorgefertigte Erwartungshaltung und Vorverurteilung von Klimaaktivist*innen durch Teile der Legislative sind nicht nur inhaltlich problematisch, sondern es politisiert unabhängige rechtsstaatliche Verfahren. Die Kriminalisierung und Stigmatisierung von Klimaaktivismus, mehr Befugnisse für Sicherheitsbehörden und massive Einschränkungen der Bürger*innenrechte lösen keine Probleme – sie sind Probleme.

Die Verfassungskonformität des gesetzlichen Rahmens für die Präventivhaft in Schleswig-Holstein ist zweifelhaft: Aktuell besitzen Richter*innen die Möglichkeit, Präventivhaft von bis zu einem Jahr anzuordnen. Anstatt wild mit haltlosen Forderungen Klimaaktivismus kriminalisieren zu wollten, sollten sich Daniel Günther und Sabine Sütterlin-Waack darum kümmern, im Rahmen der Verfassung zu bleiben und die Möglichkeiten für Präventivhaft bei politischem Protest massiv einzuschränken. Massive Einschnitte der Bürger*innenrechte nach Vorbild des bayrischen Law-and-Order-Wahnsinns dürfen weder in Schleswig-Holstein noch in irgendeinem anderen Bundesland Realität werden.

Polizeigewalt anerkennen und aufarbeiten!

Am 14.01.2023 reisten 35.000 Menschen aus verschiedensten Nationen nach Nordrhein-Westfalen, um für den Erhalt des Dorfes Lützerath und einen früheren Ausstieg aus der Kohle zu protestieren. Die Demonstration war legal angemeldet und sollte friedlich vonstattengehen. Stattdessen kam es an diesem Tag, aber auch schon an den vorangegangenen und an den auf die Demonstration folgenden Tagen, zu massiver Gewalt. Polizeigewalt war hier keine Ausnahme, sondern für viele der Aktivist*innen Normalität – das darf nicht länger Realität sein. Polizistinnen, deren Beruf sich genau dadurch auszeichnet, dass sie in Gewaltsituationen deeskalierend handeln sollen, dürfen nicht länger die Möglichkeit haben, sanktionsfrei Demonstrierende zu verletzen und müssen von Beginn an lernen, wie gewaltfreie Deeskalation funktioniert, um Vorkommnisse wie die in Lützerath zu vermeiden.

Daher fordern wir:

  • eine umfassende Aufarbeitung der Geschehnisse in Lützerath.
  • die Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen für Opfer von Polizeigewalt, die eine umfassende Aufklärung und Verfolgung von Fällen von Gewalt durch Polizeibeamte ermöglicht.
  • Einen stärkeren Fokus auf die Themen Gewaltprävention und Deeskalation, auch mit speziellem Fokus auf Demonstrationen, in der Polizeiausbildung sowie verpflichtende Schulungen und Weiterbildungen zu entsprechenden Themen während der Berufslaufbahn.
  • Schaffung von Transparenz und Rechenschaftspflicht durch die Einführung einer Pflicht zur Dokumentation und Veröffentlichung von Einsatzberichten sowie die Bereitstellung von Daten über polizeiliche Einsätze und Gewaltanwendungen.
  • Unterstützung von Reformen im Justizsystem, um eine effektivere Verfolgung von Fällen von Polizeigewalt zu ermöglichen. Hierzu gehört u.a. die Kennzeichnungspflicht jedesjeder Polizistin und eine unabhängige Bearbeitungsstelle. Polizistinnen dürfen nicht länger die Fälle ihrer Kolleginnen bearbeiten.

Innen: Unsere Ideen und Forderungen zur Landtagswahl 2022

Wir kämpfen für eine Gesellschaft, in der alle frei von Angst, Armut und Diskriminierung leben können. Dafür brauchen wir auch eine veränderte Innenpolitik, die Demokratie und Grundrechte schützt, statt Angst zu schüren. Dazu fordern wir konkret:

  • grundlegende Neuausrichtung der Polizei
    • Ausbau ziviler Träger*innen zur Entlastung der Polizei in Situationen, für die Polizist*innen nicht ausgebildet sind
    • die Polizei im Bereich der Deeskalation und im Umgang mit neuen Problemstellungen (z.B Corona-Proteste) weiterbilden
  • rechte Netzwerke in Polizei und staatlichen Behörden konsequent aufklären und bekämpfen
  • Studie zu rechtsextremen Einstellungen in Sicherheitsbehörden
  • Rassismus und Diskriminierung in Polizei und staatlichen Behörden aufdecken und Strategien zur Sensibilisierung umsetzen
  • Ersetzung des Landesverfassungsschutzes durch ein Forschungsinstitut zur effektiven Aufklärung über antidemokratische Tendenzen