Unsere Position zum Koalitionsvertrag

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Die GRÜNE JUGEND Schleswig-Holstein hat von Anfang an für progressive Mehrheiten gekämpft; für Mehrheiten, die das Leben der Menschen aktiv verbessern; für linke Mehrheiten jenseits der CDU. Mit dem Ergebnis der Landtagswahl – 43,4% für die CDU, aber auch 18,3% für die Grünen und der Tatsache, dass jene Grünen stärkste Kraft bei jungen Menschen geworden sind – hat sich gezeigt: das Land ist bereit für unsere Ideen, aber eine Regierung ohne die CDU liegt leider nicht im Bereich des Möglichen. Wir haben uns dafür eingesetzt, dass der Ansatz einer “Ohne-Not- Jamaika”-Regierung bald verworfen wurde. Und wir haben deutlich gemacht: Regieren ist und darf kein Selbstzweck sein. Es geht darum, das Leben der Menschen konkret zu verbessern. Trotzdem ist auch klar, dass eine schwarz-grüne Regierung in der Lage ist, mehr Schritte voranzugehen, als es in anderen möglichen Konstellationen der Fall wäre.

Nun steht der Koalitionsvertrag für die schwarz-grüne Regierung. Die grüne Handschrift scheint zwar durch und es sind wirklich einige gute Projekte dabei, aber vieles geht nicht über vage Prüfaufträge hinaus. Wir als GRÜNE JUGEND messen den Vertrag daran, was gesellschaftlich notwendig ist, nicht an dem, was vermeintlich möglich sein kann.

KLIMA

Im Bereich Klimaschutz sehen wir ambitionierte Politik, die trotzdem nicht ausreicht. Das Klimaziel Klimaneutralität 2040, das per Gesetz festgehalten werden soll, reicht nicht, um Schleswig-Holsteins Beitrag zum 1,5 Grad Ziel zu leisten. Dennoch wird Schleswig-Holstein so sowie durch das Festschreiben von Klimaschutz in der Landesverfassung zu einem der fortschrittlichsten Bundesländer im Hinblick auf die Abschwächung der Klimakrise. Das Energieziel von bis zu 45 Terawattstunden Erneuerbarer Energie bis 2030 ist sehr ambitioniert und auch die Ziele für Windenergie an Land sind hoch gesteckt. Allerdings hakt es wie so oft an den konkreten Maßnahmen. Die aktuellen, zu restriktiven Abstandsregelungen zur Wohnbebauung für Windkraft bleiben bestehen. Die CDU hat eine energetische Sanierungsrate blockiert und beim Sondervermögen für klimaneutrale Kommunen fehlt eine konkrete Summe an Geld. Die Photovoltaik- Pflicht ist ein klarer grüner Erfolg. Wir kritisieren den späten Beginn 2025 und den Ausschluss von Bestandsgebäuden. Weitergehend setzt die Entkoppelung von Landwirtschaft und Umwelt in den Ministerien irreführende Zeichen, wenn wir die Landwirtschaft als Teil der Umwelt anerkennen. Mit diesem Kapitel können wir selbst unsere neu gesetzten, ambitionierteren, aber immer noch nicht ausreichenden Ziele nicht einhalten. Wir befinden uns so nicht auf dem 1,5 Grad- Pfad.

MOBILITÄT

Wir können mit der Verankerung eines Azubi- und Freiwilligentickets erste Erfolge feiern. Auch der Umbau des Landesbetriebs für Straßenbau und Verkehr wurde durchgesetzt. Wir sehen einige Verbesserungen im Bereich Schienenverkehr, der größte Erfolg: der Landesnahverkehrsplan wird fortgeschrieben mit dem Ziel, den Anteil des Schienenverkehrs an der Verkehrsleistung auf 25% zu heben. Das bedeutet eine Verdreifachung der Fahrgäst*innenzahlen! Außerdem wird die Radstrategie weiterentwickelt und mit finanziellen Mitteln versehen. Gleichzeitig ist im Bereich Mobilität ein klares Bekenntnis zum irrsinnigsten Projekt des Bundesverkehrswegeplans, der A20, im Vertrag verankert. Die Mobilitätsgarantie ist gänzlich abgeschwächt und zu einer Plattitüde geworden, wie sie jeder unterschreiben würde.

Diese Vorhaben reichen weder aus, um durch Mobilität gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, noch um den Beitrag für Klimaschutz zu leisten, der notwendig ist.

BILDUNG

Der für junge Menschen so wichtige Bereich Bildungspolitik hat auf den ersten Blick wirklich gute grüne Punkte. Eine Verstetigung der PerspektivSchulen wird angestrebt und Experimentierklauseln eingesetzt. Auch der Einsatz von außerschulischen Fachkräften findet Anklang. Die Relevanz von beruflichen Schulen soll verstärkt und die Attraktivität von Ausbildungen verbessert werden. Am Ende wird aber mit Punkten wie dem Festhalten an der Exzellenzstrategie oder dem Beibehalten der Trennung von Gemeinschaftsschulen, Gymnasien und Förderzentren keine Abkehr von einem Bildungssystem stattfinden, welches nach wie vor Leistungswahn und Notendruck in den Mittelpunkt stellt. Die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Lernenden bleibt der Fokus der kommenden Legislatur.

INNERES & SICHERHEIT

Im Bereich der Innenpolitik zeigt sich ganz eindeutig, dass die CDU eine konservative Partei ist. Zwar werden keine weiteren Eingriffe in die Bürger*innenrechte beschlossen. Aber die von uns geforderte grundlegende Reform der Polizei, mit dem Ziel, mehr ziviles Personal u.a. zur Streitschlichtung einzustellen, findet sich nicht. Der innenpolitische Stillstand ist somit für 5 Jahre festgeschrieben. Wie schon der letzte Koalitionsvertrag sieht auch dieser vor, dass im Bereich der Innen- und Sicherheitspolitik stets ein Konsens benötigt wird. Damit ist insbesondere die GRÜNE Fraktion gefragt, Bürger*innenrechte weiterhin stabil zu verteidigen.

Massiv stören wir uns an dem vorgesehenen weiteren Ausbau der Videoüberwachung in Schleswig-Holstein an “besonderen Kriminalitätsschwerpunkten und Angsträumen”; Videoüberwachung kann nicht die Lösung gesellschaftlicher Probleme sein!

Auch beim sogenannten Verfassungsschutz schreibt der Koalitionsvertrag ein “Weiter-so” fest.

Gut sind konkrete Maßnahmen zur Prävention insbesondere von Rechtsextremismus und Islamismus.

Durch den Klimawandel werden Katastrophen wie Hochwasser, Waldbrände etc. immer häufiger vorkommen daher befinden wir die Schaffung eines Amtes für Bevölkerungsschutz als sehr gut und wichtig.

WOHNEN

Der Bereich Wohnen ist tatsächlich ein Erfolg! Wir haben eine Kappungsgrenzenverordnung erreicht, ein Wohnraumschutzgesetz kommt und wir werden qualifizierte Mietspiegel einführen, sodass Mieten transparenter werden. Auch eine Landeswohnungsbaugesellschaft wird in abgeänderter Form, nämlich durch eine Landesentwicklungsgesellschaft, eingeführt. Zuletzt werden wir das Ziel, als Land 15000 Wohnungen zu bauen, versuchen zu erreichen. Allerdings konnten nicht alle der Forderungen umgesetzt werden: Die Mietpreisbremse wird nicht durchgesetzt und Stromsperren werden nicht gänzlich abgeschafft. In den Wohnheimen für Studierende sollen 650 neue Plätze geschaffen werden, was weit hinter dem Bedarf zurückliegt und auch im letzten Koalitionsvertrag unerfüllt geblieben ist. Es stärkt jedoch dem Studierendenwerk den Rücken und erkennt die Notwendigkeit neuer Wohnheimplätze an.

QUEER & GENDERGERECHTIGKEIT

Im queerpolitischen Bereich haben wir viele Erfolge zu verzeichnen. Schulen und Hochschulen sollen besser für queere Menschen sensibilisiert werden und Beratungsstellen sollen ausgebaut werden, die Gesundheitsversorgung für queere Menschen wird verbessert und Behörden sollen “geschlechtersensibel” kommunizieren. Großer Kritikpunkt ist das Festhalten der CDU an binärer Sprache – sowohl in den Schulen, wo bis auf weiteres das “Genderverbot” bestehen bleibt, als auch im gesamten Vertrag; inter*, nicht binäre und trans Personen werden zu wenig berücksichtigt. Hin zu einer wirklich diversen, toleranten Gesellschaft ist es noch ein langer Weg.

WIRTSCHAFT & FINANZEN

Der Umbau unseres profitorientierten Wirtschaftssystems hin zu einem gemeinwohl- und menschenorientierten, ökologisch tragbaren System ist unser Ziel. Ein Blick in den Koalitionsvertrag zeigt: Wichtige Ansätze zur Bekämpfung des Fachkräftemangels und der Nutzung schleswig-holsteinischer Standortfaktoren sind verankert. Gerade Frauen sollen aktiv im wirtschaftlichen Umfeld gefördert und so Geschlechterungleichheiten angepasst werden und auch im Finanzteil sind einige Erfolge zu vermerken. Es wird eine Arbeitsgruppe geben, die Ausgaben auf Klimaschutzrelevanz prüft und klimaschädliche Ausgaben und Subventionen sollen reduziert werden. Trotzdem bleibt klar: Das Einzige, was zählt, ist Wachstum, Wachstum, Wachstum. Zwar wird das Ganze mit den Zuschreibungen “nachhaltig und klimaneutral” geschmückt, aber eine Abkehr von Profitlogik sowie konkrete Maßnahmen zur Umsetzung vieler Vorhaben fehlt. An der Schuldenbremse, die aktiv Investitionen in unsere Zukunft verhindert, wird weiter festgehalten.

ARBEIT

Die Verankerung von TVStud im Koalitionsvertrag ist ein riesiger Erfolg, den wir gemeinsam mit dem Bündnis erkämpft haben. So haben wir die Chance, die Arbeitsrealitäten studentisch Beschäftigter massiv zu verbessern. Gleichzeitig gibt es kein klares Bekenntnis zu einem Tariftreue- und Vergabegesetz, um gerade bei öffentlichen Arbeiten Dumping-Löhne und schlechte Arbeitsbedingungen zu verhindern. Auch wenn die Einhaltung von Menschenrechten verbessert wird und Schleswig-Holstein seiner Verantwortung auch auf EU-Ebene nachkommen soll, fehlen klare Angaben, die das Ganze in die Realität überführen.

Mit der Verteilung der Ministerien geht für uns auch eine klare Aufgabe einher, insbesondere auf die Ministerien Druck zu machen, die jetzt in CDU-Hand liegen. Sehr relevante Bereiche wie Bildung, Verkehr, Landwirtschaft oder Wohnen sind bei Konservativen angesiedelt. Bereits in der letzten Legislatur haben wir gesehen, wie wenig dann umgesetzt wird. Wir müssen darauf pochen, dass Erfolge auch in die Umsetzung gelangen und nicht nur leere Versprechen bleiben.

Unser Fazit ist also: Wir haben die CDU zu Dingen gebracht, zu denen sie sonst niemals zugestimmt hätten – das ist auch unser Erfolg! Aber wir müssen diese Koalition sowie jegliches politische Handeln an dem messen, was notwendig ist. In der Bilanz können wir nicht sagen, dass die Maßnahmen des vorliegenden Vertrages ausreichen, um hinter ihm zu stehen. Eine Empfehlung zur Zustimmung können wir so nicht aussprechen: Ein echter Aufbruch sieht anders aus.  Wir sind uns der Situation bewusst, dass gerade keine linken Mehrheiten existieren und eine schwarz-grüne Koalition die beste Option unter schlechten Voraussetzungen ist. Es ist unsere Verantwortung dafür zu sorgen, dass jetzt echte Verbesserung stattfindet.

Für uns bedeutet das nun: Dran bleiben, kämpfen für die guten Projekte aus dem Koalitionsvertrag und verhindern, wo Gutes zurückgedreht werden soll! Wir bleiben laut auf den Straßen, in den Parlamenten und in der Partei.

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