Beschluss der LMV der GJSH 13.-15.11.2015 Kiel
Auch in der Krise solidarisch!
Solidarische Forderungen sind nicht nur in Schönwetterzeiten richtig! Auch in der Krise werden wir nicht auf die einfachen, aber kurzsichtigen, Argumente der Hardliner*innen hereinfallen, sondern sind davon überzeugt, dass nur eine progressive und solidarische Politik eine angemessene Reaktion auf die aktuellen Herausforderungen sind. In unseren Forderungen berücksichtigen wir zudem auch die Empfehlungen des Rates für Migration.
Darum fordern wir:
- Einen radikalen Ausbau des sozialen Wohnungsbaus! Nicht erst seit September diesen Jahres ist dieser längst überfällig. Vor dem Hintergrund der rasant wachsenden Anzahl Geflüchteter, die zurzeit nach Deutschland kommen, muss dieser Ausbau endlich prioritär behandelt und mit ausreichenden Finanzmitteln ausgestattet sein. Ökologische Konsequenzen dürfen für einen Neubau dennoch nicht ignoriert werden. Ein umfassendes Programm zum Ausbau des sozialen Wohnungsbaus würde zudem regionale Unternehmen stärken und Arbeitsplätze sichern, sowie schaffen. Neue Wohnviertel für Geflüchtete in Randgebieten lehnen wir ab. Diese wären kein wirkungsvolles Mittel gegen den demografischen Wandel und erschweren zusätzlich ein gutes Zusammenleben. Unser Ziel bleiben heterogene Wohnviertel, in der alle gesellschaftlichen Milieus neben- und miteinander leben.
- Ein individuelles Recht auf Asyl! Das Konzept der “sicheren Herkunftsstaaten” lehnen wir weiterhin entschieden ab. Entscheidungen bereits geltender “sicherer Herkunftsstaaten” müssen rückgängig gemacht werden.
- Bürokratieabbau bei der Anerkennung! Es muss eine Liste der Länder erstellt werden, in denen andauernde kriegerische Auseinandersetzungen ein friedliches Leben und individuelle Perspektiven, ohne Verfolgung aufgrund von politischer Einstellung, sexueller Identität und Neigung, unmöglich machen. Geflüchtete aus diesen Ländern sollten eine Aufenthaltserlaubnis, die der Schutzgewährung der Genfer Flüchtlingskonvention entspricht, erhalten, ohne dass eine Einzelfallprüfung stattfinden muss. Hierbei werden allerdings keine “unsicheren Herkunftsstaaten” definiert, da dieser Begriff suggeriert, dass alle anderen Länder sicher wären. Diese Liste soll nur dazu dienen, eine Aufenthaltserlaubnis schneller umzusetzen. Eine Einzelfallprüfung soll bei einer möglichen Abschiebung ausdrücklich nicht wegfallen. Das Konzept der „offensichtlich unbegründeten“ Asylanträge lehnen wir ab.
- Eine faire Informationspolitik! Vor der Einrichtung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung oder einer Gemeinschaftsunterkunft sollten Informations- und Aufklärungsveranstaltungen an den jeweiligen Standorten stattfinden.
- Keine Volksabstimmungen über Menschenleben! Niemand hat das Recht sich seine Nachbarn auszusuchen. Bürger*innenabstimmungen darüber, ob in direkter Nachbarschaft Geflüchtete Schutz finden dürfen und in welcher Menge, lehnen wir ab. Ebenso lehnen wir einen möglichen bundesweiten Volksentscheid über die Aufnahme weiterer Geflüchteter ab. Dies gilt insbesondere für Flüchtlinge, die noch keine Aufenthaltserlaubnis haben.
- Sprache als Brücke zur Inklusion! Deutschkurse bis zum Niveau von mindestens B1 müssen jedem*r Geflüchteten zur Verfügung stehen.
- Jedes Kind hat das Recht zur Schule zu gehen! Und die Pflicht. Minderjährige Geflüchtete haben ein Recht auf Bildung und fallen generell unter die Schulpflicht, wie jedes andere Kind auch. Dabei darf es bundesweit keine Ausnahmen geben. Grundsätzlich gilt: Das Wohl des Kindes hat Vorrang. Wir fordern dieses Recht konsequent und bundesweit umzuseten.
- Abschlüsse anerkennen! Ausländische Bildungs- und Berufsabschlüssen müssen schneller anerkannt werden.
- Wer arbeiten möchte, muss das auch dürfen! Der Zugang zu Arbeit muss für Geflüchtete deutlich erleichtert werden. Die Vorrangprüfung muss rückstandslos gestrichen werden. Geflüchtete müssen zudem die Möglichkeit erhalten, ihren Status zu ändern, um ein Arbeitsvisum beantragen zu können.
- Fliehen ist kein Verbrechen! Die Einreise nach Deutschland zu dem Zwecke einen Asylantrag zu stellen darf nicht länger illegalisiert werden. Menschen aus Krisengebieten müssen in ihren Heimatländern zudem die Möglichkeit erhalten, Visa zu beantragen, um Schutz in Europa zu finden.
- Freedom of movement, auch in Schleswig-Holstein! Geflüchtete müssen die Möglichkeit erhalten, sich ohne Residenzverpflichtungen in Schleswig-Holstein bewegen zu können. Wenn Bildungs-, Arbeits- oder gesellschaftliche Lebensmittelpunkte dezentral auf Schleswig-Holstein verteilt sind, müssen kostenfreie ÖPNV-Karten bereitgestellt werden.
- Schnellere Klarheit für Geflüchtete! Das Personal im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) muss aufgestockt werden, um Asylanträge schneller bearbeiten zu können. Von unnötigen Aufgaben wie die Überprüfung und Verhängung von Wiedereinreisesperren sollten die Mitarbeiter*innen des BAMF befreit werden. Asylbewerber*innen, die schon lange auf eine Entscheidung ihres Antrags warten, müssen Priorität behandelt werden.
- Handeln statt üben! Die Bundeswehr sollte stärker in die organisatorischen Aufgaben in den Erstaufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünften eingesetzt werden. Die Ausbildung der Angestellten der Bundeswehr umfasst diverse Aspekte, die Vorort zurzeit dringend benötigt werden. Ebenso sollte auf die Ausrüstung der Bundeswehr zurückgegriffen werden. Aufgaben im Bereich der Sicherheit darf die Bundeswehr jedoch in keinem Fall übernehmen. Der Einsatzbereich beschränkt sich auf den der “helfenden Hand” in Organisation und Umsetzung.
- Zivilgesellschaftliche Solidarität staatlich unterstützen! Zivilgesellschaftliche Initiativen müssen stärker gefördert werden. Dies entbindet jedoch nicht den Staat von seinen Aufgaben.
- Dublin-Regelungen offiziell abschaffen! Die aktuelle Dublin-Regelung ist Ausdruck einer unsolidarischen Abschottungspolitik. Sie ist in allen Bereichen gescheitert. Stattdessen braucht es eine europäische Lösung, die den Menschenrechtsstandards Rechnung trägt. Bei der Umsetzung der EU-Verteilungsquote müssen Geflüchtete in die Entscheidung einbezogen werden, etwa wenn Familienangehörige in einem bestimmten EU-Land leben.
- Echte Willkommenskultur! Bei der interkulturellen Öffnung der Verwaltung ist in Schleswig-Holstein noch Luft nach oben. Das beinhaltet zum Beispiel mehr Migrant_innen und Geflüchtete. In Hamburg wird zum Beispiel versucht den Anteil in der Gesamtbevölkerung anzuheben. Dies beinhaltet zum Beispiel auch Kampagnen. Der Erwerb von interkultureller Kompetenz ist zudem unerlässlich für eine echte Willkommenskultur.